Das Fernweh und die Reiselust
Die Samen der Weißen Silberwurz (Dryas Octopetala) aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) sehen von unten betrachtet den vorüberziehenden Wolken am sonst so strahlend blauen Himmel sehr ähnlich. Dieses Foto entstand als ich 2020 während eines Corona-Lockdowns mit dem Rad durch die Gegend fuhr. Viele Menschen wünschten sich damals sehr mit dem Flieger über diesen Wolken zur nächsten Urlaubsdestination fliegen zu können. Das Fernweh war bei vielen groß, doch das Reisen war für eine gewisse Zeit stark eingeschränkt bis überhaupt nicht möglich.
Die Pandemie ging, das Fernweh blieb. Reisen erfreut sich großer Beliebtheit. Zumindest ist das mein Eindruck, wenn ich mir übervolle Autobahnen, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen und bis auf den letzten Sitzplatz gefüllte Flieger anschaue. Und das obwohl die Hauptsaison noch gar nicht begonnen hat!
Die Welt ist ein Buch.
Wer nie reist sieht nur eine Seite davon.
Das Fernweh und die damit verbundene Reisefreudigkeit hat – bei allen validen Argumenten den Klimawandel betreffend – große Vorteile. Um Aurelius Augustinus zu zitieren: „Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist sieht nur eine Seite davon.“ Genauso wenig wie ich mir vorstellen kann ein dickes Buch in Händen zu halten und mir nur eine einzige Seite davon ansehen zu dürfen, will ich wir mir vorstellen ab nun nichts Neues mehr von der Welt sehen zu dürfen. Am besten hingegen gefällt mir einen Reiseführer in Händen zu halten und was mich darin anspricht, dann alles zu besuchen.
Die Vorteile des Reisens
Ich denke, dass das Reisen für alle Menschen unglaublich bereichernd ist (sofern es nicht um durchorganisierte all-inclusive Cluburlaube geht). Ist man das erste Mal an einem fremden Ort, muss man sich erst mal orientieren; geografisch wie persönlich. Abgesehen davon, dass man manchmal überlegen muss in welche Himmelsrichtung man geht, ist man erst einmal fremd hier. Man kennt die Gepflogenheiten nicht, muss demnach offen sein für das was hier passiert. Man nimmt die Umwelt völlig anders wahr – plötzlich sind alle Sinne geschärft.
Man sieht Dinge, die man an bekannten Orten oft übersehen würde, man riecht Dinge, die einen ewig in Erinnerung bleiben werden und mit der Destination verbinden wird. Ebenso kann man seine Geschmacksknospen fordern – neue Speisen, Lebensmittel und Gewürze kennenlernen. Spricht man die Sprache des Landes nicht, hört man Menschen reden ohne sie zu verstehen. Trotzdem kann man Dinge wie die Stimmungslage erkennen und Situationen einschätzen. Konversationen, die in der Muttersprache nicht der Rede wert sind, werden in einer Fremdsprache zur Herausforderung. Und trotz all der Unterschiede ist es immer wieder erstaunlich wie weit man mit nonverbalen Konversation und “mit Händen und Füßen reden” in der Welt kommt. Geht es um basale Dinge, tickt die Welt und ihre Menschen dann halt doch immer recht gleich.
Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit
Reisen heißt lernen
Unterwegs zu sein bedeutet zu lernen. Reisen lehrt uns Länder, Menschen und Kulturen besser zu verstehen. Wir werden Unterschiede genauso wie Gemeinsamkeiten finden, Erwartetes bestätigt bekommen und Überraschungen erleben. Mark Twain wusste bereits vor mehr als 100 Jahren: „Reisen ist fatal für Vorurteile, Bigotterie und Engstirnigkeit”. Eigentlich unglaublich, dass uns diese drei Eigenschaften trotz aller Reisemöglichkeiten, die wir heute haben, nach wie vor so sehr beschäftigen und nach wie vor präsent sind. Wenn das Fernweh also zum Reisen führt und wir irgendwann diese Themen abhaken können, dann hoffe ich tatsächlich auf die Reiselust vieler.
Die Reise der Silberwurz
Die Silberwurz ist übrigens auch schon weit gereist! Aus den Alpen entstammend haben sich verschiedene Arten der Silberwurz über die ganze Welt verbreitet. Sie hat sich aber auch symbolisch ihren Platz erkämpft und gilt heute als Symbolpflanze der schwedischen Provinz Lappland bzw. hat sie Island 2004 zur Nationalblume gekürt. Gebietsweise steht sie heute unter Naturschutz.
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